Lexikon

Darm­ge­sund­heit: Super­or­ga­nis­mus Mensch

Bauch: Zentrum der Gesundheit des Superorganismus Mensch
Bauch: Zen­trum der Gesund­heit des Super­or­ga­nis­mus Mensch

Revo­lu­tio­nä­re Erkennt­nis­se rund um den Darm stel­len bis­he­ri­ge Theo­rien auf den Kopf: Gemein­sam mit 100 Bil­lio­nen Mikro­or­ga­nis­men bil­det jeder Mensch einen soge­nann­ten Super­or­ga­nis­mus. Das kom­plex inein­an­der grei­fen­de Mit­ein­an­der von Mensch und Mikro­or­ga­nis­men sorgt für Gesund­heit, gute Gefüh­le und bes­se­re Gedächt­nis­leis­tun­gen und vie­les mehr.

„Gesund­heit beginnt im Darm“, eine Weis­heit, die seit Urzei­ten von Hei­lern welt­weit intui­tiv berück­sich­tigt wird. Eine Bestä­ti­gung des­sen und bahn­bre­chen­de neue Erkennt­nis­se brach­te das Human Micro­bio­me Pro­ject (HMP). Es wur­de 2008 vom Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um der USA ange­scho­ben mit dem Ziel das mensch­li­che Mikro­bi­om, also die Gesamt­heit aller Mikro­or­ga­nis­men, zu iden­ti­fi­zie­ren und cha­rak­te­ri­sie­ren, die auf oder im Men­schen leben. Vie­le For­scher­grup­pen, auch außer­halb der USA, haben seit­her mehr als tau­send Bak­te­ri­en­spe­zi­es mit mole­ku­lar­bio­lo­gi­schen Metho­den beschrie­ben, die bis­her völ­lig unbe­kannt waren. Sie erforsch­ten zudem, ob, wie und unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen sich Ver­än­de­run­gen des Mikro­bi­oms auf Gesund­heit bezie­hungs­wei­se Krank­heit aus­wir­ken. Die Grund­la­gen sol­len unter ande­rem neu­ar­ti­ge Erkennt­nis­se für welt­weit gras­sie­ren­de Erkran­kun­gen wie Adi­po­si­tas, Dia­be­tes mel­li­tus, Darm- oder Krebs­er­kran­kun­gen lie­fern.

Die Anzahl der Bak­te­ri­en im mensch­li­chen Darm ist gewal­tig

Auf der Grund­la­ge eines Gen­pools von hun­der­ten gesun­der Erwach­se­ner wur­den 2012 ers­te Resul­ta­te gelie­fert: Die Zahl der Erb­gut-Abschnit­te (Gene) der Mikro­or­ga­nis­men im mensch­li­chen Kör­per wird auf rund 8 Mil­lio­nen berech­net. Damit hal­ten „unse­re“ Darm­bak­te­ri­en rund 360 mal mehr gene­ti­sches „Gedächt­nis“ vor als mensch­li­che Zel­len selbst (sie­he Kas­ten zum Human Geno­me Pro­ject, bei dem die­se Grund­la­gen ent­deckt und die mole­ku­lar­bio­lo­gi­schen Hoch­leis­tungs­tech­ni­ken ent­wi­ckelt wur­den). Die Anzahl der ein­zel­nen Bak­te­ri­en des Mikro­bi­oms eines ein­zel­nen Men­schen ist gewal­tig: Etwa 100 Bil­lio­nen Mikro­or­ga­nis­men tra­gen erwach­se­ne Men­schen mit sich her­um [1]. In Anbe­tracht die­ser neu­en Situa­ti­on phi­lo­so­phie­ren klu­ge Köp­fe dar­über, ob denn der Mensch wei­ter­hin als „Kro­ne der Schöp­fung“ anzu­se­hen sei. Oder ob nicht eher der Ter­mi­nus „leben­der Ener­gie­lie­fe­rant“ oder „Mobi­li­täts­hil­fe“ für Mikro­or­ga­nis­men rich­ti­ger sei. Betei­lig­te Wis­sen­schaft­ler bewer­ten ihre Ergeb­nis­se prag­ma­ti­scher: Die kom­ple­xe Struk­tur des Men­schen ent­steht ver­mut­lich nicht nur auf­grund sei­ner eige­nen Gene. Son­dern erst durch die Inter­ak­ti­on mensch­li­cher Erb­an­la­gen mit den Mikro­bi­om-Genen und den dadurch bewirk­ten Funk­tio­nen. Der Mensch ist also nicht allein, son­dern bil­det ein hoch ver­netz­tes öko­lo­gi­sches Sys­tem, einen Super­or­ga­nis­mus, so lau­tet die neue Arbeits­hy­po­the­se.

Das HMP setz­te auf die wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se des Human Geno­me Pro­jects (HGP) auf. Es wur­de 1999 gestar­tet mit dem Ziel, das Erb­gut (Genom) des Men­schen voll­stän­dig zu ent­schlüs­seln. Nach 13 Jah­ren der Kodie­rung und Sequen­zie­rung der Gene von 1.000 frei­wil­li­gen Men­schen wur­de 2003 das HGP erfolg­reich abge­schlos­sen. Das Ergeb­nis war eine Revo­lu­ti­on, stell­te bis­he­ri­ge Vor­stel­lun­gen und Theo­rien auf den Kopf: Jeder Mensch hat näm­lich nur etwa 25.000 bis 30.000 eige­ne Gene, die für Funk­tio­nen ver­ant­wort­lich sind. Damit hat der Mensch gera­de ein­mal dop­pelt so viel Erb­an­la­gen wie eine Flie­ge (Pflan­ze 25.700 Gene, Wurm 18.300) oder nur halb so viel wie japa­ni­scher Reis [1, 2, 2a].

Mikro­or­ga­nis­men: Grund­la­ge der Gesund­heit des Super­or­ga­nis­mus Mensch

Bakterien sitzen auch auf der Haut
Bak­te­ri­en sit­zen auch auf der Haut

Die Bedeu­tung die­ses Ansat­zes für die Vor­beu­gung von Krank­hei­ten (Über­ge­wicht, Herz­kreis­lauf-Erkran­kun­gen u. a.) und Behand­lung (Zucker­krank­heit, chro­ni­sche Darm­ent­zün­dun­gen, Blut­ver­gif­tung) wird sich in den nächs­ten Jahr­zehn­ten her­aus­stel­len. Schließ­lich steht die Erfor­schung des Mikro­bi­oms erst am Anfang. Doch bereits jetzt ist ein Über­blick über alle wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten zum Mikro­bi­om unmög­lich, da sich die wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se gera­de­zu über­schla­gen. Als sicher gilt, dass Mikro­or­ga­nis­men Men­schen über­all dort besie­deln, wo Kon­takt zur Außen­welt besteht: Auf der Haut, Nasen‑, Augen‑, Vagi­nal­schleim­häu­ten, Mund‑, Rachen­raum und im Darm. Allein im Darm ist die Besied­lung so gewal­tig, dass die bak­te­ri­el­len Darm­be­woh­ner bei einem Erwach­se­nen etwa zwei bis drei Kilo Gesamt­ge­wicht auf die Waa­ge brin­gen kön­nen. Je mehr For­schung betrie­ben wird, des­to beacht­li­cher sind die Ergeb­nis­se: Die Mikro­or­ga­nis­men sind an zahl­rei­chen erforsch­ten, ver­mut­lich aber noch viel häu­fi­ger an völ­lig uner­forsch­ten Funk­tio­nen des mensch­li­chen Orga­nis­mus betei­ligt. Ins­ge­samt lie­fern sie – sum­ma sum­ma­rum – unver­zicht­ba­re Arbeit zum Woh­le und dem bio­lo­gi­schen Bestand jedes Men­schen. Und nicht nur das: Mikro­or­ga­nis­men bil­den sogar die Grund­la­ge mensch­li­chen Lebens und der Gesund­heit, so sind Wis­sen­schaft­ler heu­te über­zeugt.

Spe­zi­al­fall Mito­chon­dri­en
Über­ra­schend ist die über­gro­ße Ver­wun­de­rung vie­ler Bio­me­di­zi­ner, Reli­­gi­ons- oder auch Kul­tur­ver­tre­ter ob die­ses „Super­or­ga­nis­mus“ Mensch. Schließ­lich ist seit Jahr­zehn­ten klar, was in jedem Bio­­­lo­­gie-Unter­richt gelehrt wird, dass jede mensch­li­che Zel­le 1–2.000 Mito­chon­dri­en (Kraft­wer­ke der Zel­len) ent­hält. Und die­se sind vor Urzei­ten in die Zel­len ein­ge­wan­der­te Bak­te­ri­en, die sich eigen­stän­dig ver­meh­ren und ein eige­nes Erb­gut haben. Bereits die­ses Fak­tum deu­tet auf gigan­ti­sche sym­bio­ti­sche Bezie­hun­gen von Säu­ge­tie­ren und Bak­te­ri­en hin. Eine wesent­li­che Kon­se­quenz: Ohne unse­re Endo­sym­bi­on­ten Mito­chon­dri­en sind Men­schen nur noch weni­ge Minu­ten lang lebens­fä­hig.

Mit­ein­an­der statt gegen­ein­an­der

Vor­bei sind also die Zei­ten, die deut­sche Medi­zi­ner und Mikro­bio­lo­gen wie Robert Koch oder Paul Ehr­lich ein­läu­te­ten. Sie sahen im 19. Jahr­hun­dert Mikro­or­ga­nis­men als schäd­li­che, gefähr­li­che Krank­heits­er­re­ger an, ja teil­wei­se als Grund­la­ge der meis­ten Erkran­kun­gen über­haupt. Die Bak­te­ri­en waren des­halb radi­kal zu bekämp­fen, bes­ser noch aus­zu­rot­ten, da sie zum Bei­spiel als Ver­ur­sa­cher von gro­ßen Seu­chen wie Cho­le­ra und Mala­ria gal­ten. Ehr­lichs „The­ra­pia ste­ri­li­sans magna“, die gro­ße Ver­nich­tung aller Mikro­ben im Kör­per, war ein sozio­po­li­ti­sches Ana­lo­gon des krie­ge­ri­schen Euro­pas der dama­li­gen Zeit. Das sich aber, über zwei­ten Welt­krieg, Ein­füh­rung der Anti­bio­ti­ka und den Kal­ten Krieg, bis in 21. Jahr­hun­dert geret­tet hat. Das alte Schwarz-Weiß-Den­ken der Infek­ti­ons­leh­re, Zum Bei­spiel ihr bru­ta­ler, krie­ge­ri­scher Sprach­ge­brauch, ver­deut­li­chen dies: Das Bak­te­ri­um Heli­co­bac­ter pylo­ri wird für die Ent­ste­hung von häu­fig vor­kom­men­den Ent­zün­dun­gen und Geschwü­ren in Magen und Zwöf­fin­ger­darm ver­ant­wort­lich gemacht. Selbst in den Lehr­bü­chern des 21. Jahr­hun­derts ist im bes­ten Medi­zi­ner­deutsch von der Not­wen­dig­keit der „Aus­rot­tung“ (Era­di­ka­ti­on) des Bak­te­ri­ums die Rede. Unge­klärt ist bis heu­te, war­um sich der Erre­ger bei einem Groß­teil aller Men­schen fin­det, ohne zu gesund­heit­li­chen Pro­ble­men zu füh­ren.

Doch auf­grund der bahn­bre­chen­den und Auf­se­hen erre­gen­den Erkennt­nis­se der letz­ten ver­gan­ge­nen Jah­re bahnt sich in der Mikro­bio­lo­gie und Medi­zin ein Umden­ken an. So schreibt die natur­heil­kund­lich ori­en­tier­te Ärz­tin Anne Katha­ri­na Zscho­cke in ihrem Buch „Darm­bak­te­ri­en als Schlüs­sel zur Gesund­heit“: „Wir erle­ben eine umwäl­zen­de Ver­än­de­rung, die wir mikro­bio­lo­gi­sche Revo­lu­ti­on nen­nen kön­nen … Wenn sie klug fort­ge­führt wird, wird sie zu einer Stern­stun­de der Mensch­heit wer­den mit respekt­vol­lem Blick auf die bereits Mil­lio­nen Jah­re andau­ern­der Ver­bin­dung zwi­schen Mikro­be und Men­s­ch… Sie (die mikro­bio­lo­gi­sche Revo­lu­ti­on) führt aus wach­sen­dem Kon­flikt zu fried­li­cher Koexis­tenz, Frie­den und Hei­lung“ [3].

Zscho­cke pos­tu­liert, dass die Men­schen mit der Mikro­ben-Besied­lung, die sie in sich tra­gen, eine „Art Organ“ besit­zen, wel­ches Zugang zur Gesamt­heit aller Mikro­ben auch außer­halb des mensch­li­chen Kör­pers und deren „gene­ti­schen Gedächt­nis“ ermög­licht. Nicht zuletzt, weil eben­falls schon län­ger bekannt ist, dass völ­lig unter­schied­li­che Bak­te­ri­en­spe­zi­es mit­ein­an­der Erb­gut aus­tau­schen kön­nen (zum Bei­spiel soge­nann­te Resis­tenz-Gene, die gegen Anti­bio­ti­ka unemp­find­lich machen). Die Autorin bewer­tet dies als posi­tiv, denn damit haben Men­schen auch Zugang zu den Anpas­sungs­fä­hig­kei­ten der mikro­biel­len Über­le­bens­künst­ler, die seit Anbe­ginn der Erde gestal­te­risch an der Evo­lu­ti­on mit­wir­ken.

Mikro­bi­om beein­flusst Kör­per, See­le und Geist

Krankmachende Bakterien können krank machen
Krank­ma­chen­de Bak­te­ri­en kön­nen krank machen

Das Umden­ken setzt denk­wür­di­ge Pro­zes­se in Gang: War sich der Mensch bis­her nur sei­ner Selbst bewusst, galt als Gestal­ter und ver­ant­wort­lich für das eige­ne Leben – so lebt er als Super­or­ga­nis­mus nun in einem part­ner­schaft­li­chen Team. In Gemein­schaft mit mas­sen­wei­se auf­tre­ten­den mikro­biel­len Lebe­we­sen, von denen er bis dato nichts oder wenig wuss­te. Wenn Men­schen bis­her also annah­men, dass ihre urei­ge­nen Gene ihr Selbst aus­ma­chen, so gehen neu­es­te Vor­stel­lun­gen vom Gegen­teil aus: Das Mikro­bi­om bestimmt über­all mit. Eine ame­ri­ka­ni­sche zusam­men­fas­sen­de Arbeit von der Stif­tung für Inte­gra­ti­ve Medi­zin, New York, USA, beschäf­tig­te sich bei­spiels­wei­se mit den Ein­wir­kun­gen des Mikro­bi­oms auf das Gehirn: Bak­te­ri­en kön­nen Neu­ro­nen des Magen-Darm-Ner­vens­sys­tems direkt über den Vagus­nerv sti­mu­lie­ren und Signa­le an das Gehirn sen­den. Sie beein­flus­sen dar­über Stim­mun­gen, Gefüh­le und sind an allen geis­ti­gen Fähig­kei­ten eines Men­schen betei­ligt. Also an der Wahr­neh­mung, Erin­ne­rung, am Ler­nen, Ori­en­tie­ren und am Lösen von Pro­ble­men! Zukünf­tig wer­den sich Men­schen viel­leicht mehr mit ihrer Darm­ge­sund­heit aus­ein­an­der­set­zen. Denn bei­spiels­wei­se eine lang­fris­tig bestehen­de bak­te­ri­el­le Dys­bio­se, also eine Über­be­set­zung von krank­ma­chen­den Darm­bak­te­ri­en oder eine im Dünn­darm statt­fin­den­de bak­te­ri­el­le Über­wu­che­rung, kann die Darm­schleim­haut nach­hal­tig schä­di­gen. Sie wird durch krank­ma­chen­de Bak­te­ri­en durch­läs­sig gemacht (engl. leaky gut). Dadurch gelan­gen bak­te­ri­el­le Gift­stof­fe, Krank­heits­er­re­ger selbst oder schä­di­gen­de Stoff­wech­sel-End­pro­duk­te über die Blut­ge­fä­ße und Lym­ph­we­ge in den Kör­per. Dis­ku­tiert wird die Ent­ste­hung zahl­rei­cher Erkran­kun­gen hier­durch: Die Band­brei­te geht von Sep­sis, All­er­gien, Rest­less-Leg-Syn­drom, Fibro­my­al­gie, Zöli­a­kie, Mul­ti­ple Skle­ro­se bis hin zum chro­ni­schen Müdig­keits­syn­drom [4].

Die keim­frei­en Mäu­se
Wis­sen­schaft­lern ste­hen mitt­ler­wei­le Mäu­se zur Ver­fü­gung, die voll­kom­men keim­frei sind. Die­se Tier­chen haben aller­dings über­haupt nichts mehr mit den übli­chen Mäu­sen gemein. Mäu­se sind eigent­lich flink, neu­gie­rig und aus­ge­spro­chen lern­fä­hig, wenn sie Nah­rung beschaf­fen müs­sen. Keim­freie Mäu­se haben hin­ge­gen kaum sol­che mäu­se­spe­zi­fi­schen Eigen­schaf­ten. Im Gegen­teil: Sie bewe­gen sich kaum und sind an nichts inter­es­siert. Wird ihnen jedoch, wie in zahl­rei­chen Expe­ri­men­ten doku­men­tiert, Darm­flo­ra spring­le­ben­di­ger, nor­ma­ler Mäu­se über­tra­gen – so ver­än­dern die keim­frei­en Mäu­se nach kur­zer Zeit ihr Ver­hal­ten – ins Mäu­si­sche sozu­sa­gen. Fazit: Auch cha­rak­ter­li­che oder art­spe­zi­fi­sche Ver­­hal­­tens-Eigen­ar­­ten wer­den durch das kör­per­ei­ge­ne Mikro­bi­om mit­be­stimmt.

Unter­ernähr­te Darm­flo­ra: Über­ge­wicht und Erkran­kun­gen

Stillen ist wichtig
Stil­len ist wich­tig

Wis­sen­schaft­ler wie bei­spiels­wei­se Mark Matt­son, Chef der Neu­ro­wis­sen­schaf­ten am US Natio­nal Insti­tu­te on Aging in Bethes­da in Mary­land, brin­gen Dys­bio­se-Fol­ge­er­kran­kun­gen wie das Über­ge­wicht mit dem bewe­gungs­ar­men Lebens­stil und der Ernäh­rung in Ver­bin­dung. Denn vor­ran­gig wer­den in den Indus­trie­na­tio­nen trotz üppig gedeck­ter Tische Nah­rungs­mit­tel mit hohen Antei­len an Fleisch, Weiß­mehl, Zucker und gesät­tig­ten Fet­ten kon­su­miert. Doch von die­sen Nah­rungs­mit­teln wer­den Darm­bak­te­ri­en nicht satt. Beson­ders indus­tri­ell her­ge­stell­te (Fast Food, Süßig­kei­ten) oder vor­ver­ar­bei­te­te Lebens­mit­tel (Fer­tig­nah­rung) wer­den nach­weis­lich schon im obe­ren Drit­tel des Dünn­darms ver­braucht. Von der Darm­flo­ra drin­gend benö­tig­te spe­zi­el­le Bal­last­stof­fe feh­len weit­ge­hend. Folg­lich sen­den Dick­darm­bak­te­ri­en Hun­ger­si­gna­le an das Gehirn. Über Hun­ger- oder bes­ser Appe­tit­ge­füh­le wird mehr Nach­schub ange­for­dert. Ent­spre­chend der Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten fol­gen wei­te­re zucker­hal­ti­ge Snacks oder Bur­ger. Die­se hin­ter­las­sen zwar ein kur­zes Sät­ti­gungs­ge­fühl, doch wie­der kommt nichts bei den Darm­bak­te­ri­en an. Ein Teu­fels­kreis­lauf ent­steht. Neben vie­len wei­te­ren Ursa­chen gilt die Fehl­ernäh­rung des Mikro­bi­oms als Ursa­che für das gras­sie­ren­de Über­ge­wicht oder die Fett­sucht (Adi­po­si­tas) in den Indus­trie­na­tio­nen. Zu wei­te­ren Erkran­kun­gen, die mit der Fehl­be­sied­lung vom mensch­li­chen Mikro­bi­om in Ver­bin­dung gebracht wer­den, gehö­ren chro­nisch-ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen wie Mor­bus Crohn, Koli­tis ulze­ro­sa, chro­ni­sche Ver­stop­fung, Fett­stoff­wech­sel­stö­run­gen, Dia­be­tes mel­li­tus, Krebs- und Leber‑, Darm­er­kran­kun­gen oder neu­ro­lo­gisch- sowie psych­ia­tri­sche Erkran­kun­gen [7].

Je arten­rei­cher eine Darm­flo­ra, des­to bes­ser für das Immun­sys­tem

Unan­ge­tas­tet bei den neu­en For­schun­gen ist die zen­tra­le Rol­le des Darms bei sei­ner Abwehr-Arbeit, dem Immun­sys­tem: Gegen­wär­tig sind 1.000 ver­schie­de­ne Darm­­­bak­­te­ri­en-Stäm­­me bekannt. Ihre Gesamt­heit wird als Darm­flo­ra bezeich­net. Die Zahl der Darm­bak­te­ri­en vari­iert stark, je nach dem wo Men­schen leben, oder wie sie sich ernäh­ren. Einig­keit besteht in der Wis­sen­schaft auch dar­über: Je grö­ßer die Anzahl der Bak­te­ri­en­stäm­me, des­to bes­ser arbei­tet das Immun­sys­tem. Um dem Geheim­nis der Zusam­men­set­zung mensch­li­cher Darm­flo­ra auf den Grund zu kom­men, unter­such­ten Wis­sen­schaft­ler ver­gleichs­wei­se die Darm­flo­ren der Men­schen im Urwald, aus Dri­t­­te-Welt-Län­­dern und in den Indus­trie­na­tio­nen. Das Ergeb­nis: Die Viel­falt der Darm­­­bak­­te­ri­en-Stäm­­me von Urwald-Bewoh­­nern war nicht zu über­tref­fen, wes­halb sie über ein her­vor­ra­gen­des Immun­sys­tem ver­fü­gen. Auch bei den Men­schen, die in Dri­t­­te-Welt-Län­­dern leben – und die sich mit ihren lan­des­spe­zi­fisch ver­füg­ba­ren Nah­rungs­mit­teln ernäh­ren – ist der Arten­reich­tum der Darm­flo­ren gut. Am „arten­ärms­ten“ sind die Darm­flo­ren der Men­schen west­li­cher Indus­trie­na­tio­nen [5].

Erst­be­sied­lung der Darm­flo­ra

Die Besied­lung des Darms star­tet unter der Geburt. Das Kind trinkt ein paar Schlück­chen des Frucht­was­sers, wobei der bis dahin ste­ri­le Darm des Kin­des zum ers­ten Mal mit Bak­te­ri­en der Mut­ter in Berüh­rung kommt. Auch beim Hin­durch­schie­ben durch den Geburts­ka­nal über­nimmt das Kind schüt­zen­de Bak­te­ri­en. Schmu­sen und enger Kör­per­kon­takt mit den Eltern för­dert eben­so die „Über­tra­gung“ von Tei­len des elter­li­chen Mikro­bi­oms. Die­se ers­te „Imp­fun­gen“ sind wich­tig für das wei­te­re Leben. Unter­su­chun­gen erga­ben, dass Kin­der, die per Kai­ser­schnitt in die Welt geholt wer­den, die­se Erst­be­sied­lung nicht haben. Wis­sen­schaft­ler stell­ten bei Kai­­ser­­schnitt-Babys eine anders zusam­men­ge­setz­te Darm­flo­ra fest. In man­chen medi­zi­ni­schen Krei­sen wird das ver­mehr­te Auf­tre­ten von Auf­tre­ten von All­er­gien oder Neu­ro­der­mi­tis bei Kai­­ser­­schnitt-Kin­­dern mit der feh­len­den Bak­­te­ri­en-Erst­­be­­sie­d­­lung durch die Mut­ter in Ver­bin­dung gebracht. Zur Unter­stüt­zung des Baby-Immun­­sys­­tems wer­den Stil­len und Trin­ken von Mut­ter­milch (statt Fla­schen­kost [6]) oder die spä­te­re Füt­te­rung von selbst her­ge­stell­ter Bei­kost emp­foh­len. Im Lau­fe des Wachs­tums ent­wi­ckelt sich die Darm­flo­ra immer wei­ter. Eben­falls durch Stu­di­en belegt: Alle durch­ge­mach­ten Infek­te und Kin­der­krank­hei­ten trai­nie­ren und stär­ken das Immun­sys­tem. Und: Das Auf­wach­sen auf dem Land mit Tie­ren und Leben in der Natur sorgt eben­falls für ein arten­rei­che­res Mikro­bi­om und damit für mehr Abwehr­kräf­te im Leben. Etwa mit dem drit­ten Lebens­jahr ist das wie ein Fin­ger­ab­druck indi­vi­du­el­le Mikro­bi­om des Men­schen weit­ge­hend aus­ge­bil­det und ver­än­dert sich – ohne stö­ren­de Ein­flüs­se von außen – im Lebens­ver­lauf nicht mehr.

Zer­stö­rung der Darm­flo­ra mit Anti­bio­ti­ka und Medi­ka­men­ten

Schon seit vie­len Jah­ren ist bekannt, dass Anti­bio­ti­ka oder man­che Medi­ka­men­te die Darm­flo­ra beein­träch­ti­gen. Anti­bio­ti­ka bei­spiels­wei­se töten nicht nur poten­ti­ell krank­ma­chen­de, son­dern eben­so nütz­li­che Bak­­te­ri­en-Stäm­­me. Art des Anti­bio­ti­kums, Dosie­rung und The­ra­pie­dau­er bestim­men die Aus­wir­kun­gen auf die mensch­li­che Darm­flo­ra. Eine Anti­­bio­­­ti­­ka-Behan­d­­lung kann ein Immun­sys­tem K.O. set­zen. Sind die nütz­li­chen Bak­te­ri­en im Darm weit­ge­hend durch eine Anti­­bio­­­ti­­ka-The­ra­pie abge­tö­tet, über­neh­men schäd­li­che Kei­me die Kon­trol­le. Leicht nach­voll­zieh­bar ist also die gro­ße Infek­ti­ons­an­fäl­lig­keit nach Anti­­bio­­­ti­­ka-The­ra­pi­en. Eben­so schäd­lich ver­hal­ten sich ande­re Medi­ka­men­te: Arz­nei­en gegen Blut­hoch­druck oder die soge­nann­ten Pro­to­nen­pum­pen­hem­mer (PPI), die bei Sod­bren­nen, Reflux, Magen- und Zwöl­f­­fin­­ger­­darm-Geschwü­­re ein­ge­setzt wer­den, als „Magen­schutz“ – oder um den Heli­co­bac­ter zu era­di­zie­ren [8]. Mit bestimm­ten The­ra­pien wer­den also zen­tra­le Funk­tio­nen des Super­or­ga­nis­mus Schach­matt gesetzt.

Diä­ti­sche und för­der­li­che Maß­nah­men für das Mikro­bi­om

Aus unserer Nahrung verschwunden: Bitteres (Löwenzahn)
Aus unse­rer Nah­rung ver­schwun­den: Bit­te­res (Löwen­zahn)

Nach den bis­he­ri­gen Dar­stel­lun­gen, stellt sich nun eine zen­tra­le Fra­ge: Wel­che för­der­li­chen Maß­nah­men gibt es für das Mikro­bi­om des Super­or­ga­nis­mus Mensch? Im Fol­gen­den ist der Blick auf die „guten“, nütz­li­chen Darm­bak­te­ri­en gerich­tet und wie durch diä­te­ti­sche Maß­nah­men oder „Bei­füt­te­run­gen“ zum Bei­spiel von Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­teln vor­beu­gen­de wie posi­tiv-ver­än­dern­de Ein­grif­fe durch­ge­führt wer­den kön­nen.

Darm­bak­te­ri­en sind hoch­spe­zia­li­sier­te Mit­be­woh­ner. Jeder Bak­te­ri­en-Stamm hat sich sozu­sa­gen auf bestimm­te Nah­rungs­mit­tel ein­ge­stellt. Ste­hen die­se Nah­rungs­mit­tel zur Ver­fü­gung, ist ihr Über­le­ben gesi­chert, wenn nicht, sind die Über­le­bens­chan­cen ver­rin­gert. Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten oder Ände­run­gen der Ernäh­rung (zum Bei­spiel im Urlaub) spie­geln sich also in der Darm­flo­ra wider: Wis­sen­schaft­ler, die Darm­flo­ren unter­su­chen, konn­ten anhand der Darm­bak­te­ri­en-Besied­lun­gen bei­spiels­wei­se leicht Fleisch­esser oder Vege­ta­ri­er aus­ma­chen. Bei den Unter­su­chun­gen stell­te sich eine gene­rel­le Ten­denz her­aus: Eine eher pflanz­lich aus­ge­rich­te­te Ernäh­rung ist gesün­der und zeigt posi­ti­ve Effek­te. Denn es sind die „guten“ Darm­bak­te­ri­en, die vor allem Bal­last­stof­fe benö­ti­gen, also faser­hal­ti­ge Pflan­zen-Bestand­tei­le. Eine varia­ti­ons­rei­che Ernäh­rung bestehend aus fri­schem Obst, Gemü­se, voll­wer­ti­gen Getrei­de­pro­duk­ten sichert eine gute Bak­te­ri­en-Ernäh­rung und außer­dem Arten­viel­falt unter den Bal­last­stoff lie­ben­den Bak­te­ri­en-Stäm­men. Zur abwechs­lungs­rei­chen Ernäh­rung kön­nen auch Pflan­zen mit Bit­ter­stof­fen gehö­ren. Lei­der sind die­se auf­grund der Ernäh­rungs-Gewohn­hei­ten – lie­ber süß als sal­zig, lie­ber sau­er als bit­ter – oft her­aus­ge­züch­tet wor­den. Doch auch Bit­ter­stof­fe über­neh­men wich­ti­ge Auf­ga­ben: Sie hel­fen bei­spiels­wei­se bei der Ankur­be­lung des Fett­stoff­wech­sels oder regen die Ver­dau­ung ins­ge­samt an.

War­um Bal­last­stof­fe?

Da Bak­te­ri­en die Erde seit Jahr­mil­li­ar­den besie­deln, ist die Zusam­men­ar­beit mit Men­schen eher kurz wie ein Wim­pern­schlag. Evo­lu­tio­när ver­or­ten Wis­sen­schaft­ler wie der Ame­ri­ka­ner Mark Matt­son, die gene­ti­sche Zusam­men­ar­beit zwi­schen Men­schen und Bak­te­ri­en auch eher in den Anfän­gen der Mensch­heits­ge­schich­te: Lan­ge bevor Men­schen sess­haft wur­den – also vor den Zei­ten des Acker­baus oder der Vieh­zucht – wan­der­ten unse­re Vor­fah­ren täg­lich 60 bis 80 Kilo­me­ter auf der Suche nach Ess­ba­rem. Als Samm­ler leb­ten sie vor­wie­gend von Pflan­zen und Pflan­zen­be­stand­tei­len wie Wur­zeln, Bee­ren, Nüs­sen. Das Erja­gen von Fleisch bedeu­te­te oft­mals einen zu hohen Ener­gie­auf­wand. Außer­dem war Fleisch roh schwer ver­dau­lich (erst das Feu­er brach­te Mög­lich­kei­ten der ther­mi­schen Vor­ver­dau­ung des Flei­sches mit sich). Die Nah­rungs­auf­nah­me war vor­wie­gend vom jah­res­zeit­lich beding­ten, pflanz­li­chen Ange­bot bestimmt. Jahr­hun­dert­tau­sen­de lang bestand auch kein beson­ders abwechs­lungs­rei­ches Nah­rungs­an­ge­bot für den Groß­teil der Men­schen zur Ver­fü­gung: In den gemä­ßig­ten Kli­ma­zo­nen war im Mit­tel­al­ter bis in die Neu­zeit hin­ein geschro­te­ter Getrei­de­brei die Haupt­nah­rung. Die­ser schmeck­te nicht beson­ders gut, son­dern dien­te ledig­lich der Ener­­gie- und Nähr­stoff­ver­sor­gung. Nur zu Hoch­zei­ten wur­de geschwelgt, wenn der sozia­le Sta­tus ein ange­mes­se­nes Fress- und Sauf­ge­la­ge ermög­lich­te – meis­tens mit schwe­ren Fol­gen für die völ­lig über­for­der­ten Bäu­che der Gäs­te.

Wider der gesun­den Bak­te­ri­en-Nah­rung

Nun hat Ernäh­rung mit Erzie­hung, Vor­lie­ben und vor allem Gewohn­hei­ten zu tun. Doch bekannt­lich sind Gewohn­hei­ten schwer zu ändern. Eine Ernäh­rungs­um­stel­lung auf die emp­foh­le­ne bal­last­stoff­rei­che Ernäh­rung à la Stein­zeit wird bei den meis­ten Men­schen – wenn über­haupt – nicht gelin­gen. Ers­tens ste­hen außer Wild­pflan­zen kaum noch züch­te­risch unver­än­der­te Pflan­zen zur Ver­fü­gung. Zwei­tens sind die zivi­li­sa­ti­ons­be­ding­ten Ver­füh­run­gen ein­fach groß. Eine sol­che Ernäh­rungs­um­stel­lung wür­de den weit­ge­hen­den Ver­zicht auf indus­tri­ell her­ge­stell­te Nah­rungs­mit­tel mit all’ ihren not­wen­di­gen Kon­ser­vie­rungs- und Zusatz­stof­fen beinhal­ten. Die Ernäh­rung wäre stark auf Roh­kost aus­ge­rich­tet. Und wenn Kochen dazu käme, wäre Selbst gekoch­tes das A und O. Dar­über bestün­de dann eine weit­ge­hen­de Kon­trol­le über ver­wen­de­te Nah­rungs­mit­tel wie sons­ti­ge Zuta­ten (Fet­te, Öle, Zucker, Kon­ser­vie­rungs­stof­fe). Aller­dings berich­tet die Natio­na­le Ver­zehrs-Stu­die von 2008 von einer völ­lig ande­ren Rea­li­tät in Deutsch­land: 60 Pro­zent der Deut­schen gehen mit­tags in Kan­ti­nen essen. Das gilt für Berufs­tä­ti­ge, Schul­kin­der oder Stu­den­ten. Zeit­er­spar­nis wur­de als häu­fi­ger Grund bei den Befra­gun­gen ange­ge­ben [9]. Nur die Senio­ren gaben bis zu 55 Pro­zent an, sich sel­ber zu beko­chen. Der moder­ne, oft­mals stres­si­ge All­tag for­dert also sei­nen Tri­but. Mög­lich­kei­ten der posi­ti­ven Darm­flo­ra-Beein­flus­sung – bei ansons­ten gewohn­ter Ernäh­rung – bie­tet die Zufüh­rung von Pro‑, Prä- oder Syn­bio­ti­ka. Die­se meist als Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel ange­bo­te­nen Pro­duk­te sol­len die posi­tiv wirk­sa­men Bak­te­ri­en-Stäm­me anre­gen und damit zur Gesund­heits­för­de­rung bei­tra­gen.

Pro­bio­ti­ka

Pro­bio­ti­ka sind Lebens­mit­tel oder Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel, die lebens­fä­hi­ge Mikro­or­ga­nis­men ent­hal­ten. Es sind Orga­nis­men wie Milch­säu­re­bak­te­ri­en oder Hefen, die im Joghurt, Kefir oder Sau­er­kraut vor­kom­men. Wich­tig ist die Ver­ga­be in aus­rei­chen­der Kon­zen­tra­ti­on, da die Milch­säu­re­bak­te­ri­en die Magen­säu­re über­ste­hen müs­sen, um dann in Dünn- oder Dick­darm anzu­kom­men. Und: Den pro­bio­ti­schen Bak­te­ri­en gelingt in der Regel kei­ne nach­hal­ti­ge Ansied­lung im Darm (wenn sie die­sen denn über­haupt errei­chen). Sobald kein Nach­schub mehr durch Pro­bio­ti­ka erfolgt, ver­schwin­den die­se Bak­te­ri­en-Stäm­me wie­der.

Prä­bio­ti­ka – Lebens­grund­la­ge des Super­or­ga­nis­mus

Prä­bio­ti­ka beinhal­ten schon per Defi­ni­ti­on von Gib­son und Roi­ber­fro­id (1995) ihre Gesund­heits­för­de­rung: Prä­bio­ti­ka sind dem­nach „nicht ver­dau­ba­re Lebens­mit­tel­be­stand­tei­le, die ihren Wirt güns­tig beein­flus­sen, in dem Wachs­tum und Akti­vi­tä­ten von Bak­te­ri­en-Arten im Dick­darm gezielt ange­regt wer­den, und damit die Gesund­heit des Wirts ver­bes­sern“. Prä­bio­ti­ka bestehen aus Koh­len­hy­dra­ten, die Darm­bak­te­ri­en-Arten wie Lakt­o­ba­zil­len, Bifi­do­ba­zil­len, Esche­ri­chia coli oder Bac­te­ro­ides in ihrem Wachs­tum und Ver­meh­rung för­dern. Prä­bio­ti­ka kön­nen Polys­ac­cha­ri­de, Inu­lin, Lac­tu­lo­se, Fruc­ta­ne oder Olio­fruc­to­se ent­hal­ten. Die­se Bestand­tei­le wer­den häu­fi­ger ein­zeln oder in Kom­bi­na­tio­nen zu Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­teln ver­ar­bei­tet und ver­trie­ben. Als ein bedeut­sa­mes und häu­fig ange­wand­tes Bak­te­ri­en­fut­ter hat sich Inu­lin her­aus­ge­stellt. Inu­lin wird auch in der Lebens­mit­tel­in­dus­trie zum Bei­spiel bei Joghurts als Mit­tel zur Ver­bes­se­rung der Kon­sis­tenz ver­wen­det. Es bringt zudem eine natür­li­che Süße mit. Mager­quark mit Inu­lin statt mit Zucker und süßen Früch­ten bei­spiels­wei­se kann ein alter­na­ti­ves, Darm­bak­te­ri­en-freund­li­ches Früh­stück sein. Inu­lin kommt außer­dem in bestimm­ten Gemü­sen oder Heil­pflan­zen vor: Schwarz­wur­zeln, Topin­am­bur, Zicho­rie, Alant, Chi­co­rée ent­hal­ten natür­li­ches Inu­lin. Sie kön­nen als Nah­rungs­mit­tel leicht in der Küche ver­ar­bei­tet wer­den.

Syn­bio­ti­ka

Syn­bio­ti­ka sind Nah­rungs­mit­tel, die sowohl Prä- als auch Pro­bio­ti­ka ent­hal­ten. Das kann bei­spiels­wei­se ein mit Oli­go­fruk­to­se und Inu­lin ange­rei­cher­tes Pro­dukt sein. Die Aus­wahl ist groß, weil Her­stel­ler Pro­duk­te mit unter­schied­li­chen Bak­te­ri­en-Stäm­men und Koh­len­hy­dra­ten kom­bi­nie­ren. Dabei wer­den unter­schied­li­che Bak­te­ri­en-Stäm­me wie ihre jewei­li­gen gesund­heits­för­der­nen Eigen­schaf­ten ange­spro­chen [10].

Noch eine gute Nach­richt zum Schluss:

Bak­te­ri­en reagie­ren auf­grund ihrer Auf­ga­ben rela­tiv schnell. Sie haben eine sehr kur­ze Zell­tei­lungs­zeit. Damit lässt sich das Mikro­bi­om auch schon nach weni­gen Wochen beein­flus­sen – vor­aus­ge­setzt weder Anti­bio­ti­ka noch Medi­ka­men­te haben sei­ne Funk­ti­on dau­er­haft beein­träch­tigt. Die Ver­wen­dung von Pro‑, Prä- oder Syn­bio­ti­ka unter­liegt den eige­nen Vor­lie­ben, den finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten und – im bes­ten Fall – den wis­sen­schaft­li­chen Wir­kungs­nach­wei­sen. Wich­tig ist beim Aus­pro­bie­ren sol­cher Pro­duk­te, dem Mikro­bi­om eini­ge Zeit zur Reak­ti­on zu geben. Im Übri­gen las­sen sich zum Bei­spiel chro­ni­sche Darm­pro­ble­me wie Ver­stop­fun­gen nicht von jetzt auf gleich behe­ben. Kur­wei­se Ein­nah­me von zum Bei­spiel Inu­lin-Pro­bio­ti­ka bis zu zwei Mona­ten sind oft­mals nötig. Tipp: Beim Aus­pro­bie­ren sol­cher Prä­pa­ra­te ist das genaue Beob­ach­ten der Stuhl­fre­quenz, Stim­mun­gen oder Gefüh­le hilf­reich.

Um Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten grund­sätz­lich zu ver­än­dern, bedarf es meis­tens sehr viel Enga­ge­ment. Das Lesen von Sach­bü­chern zum Bei­spiel kann hel­fen, sich der umfas­sen­den Bedeu­tung des eige­nen Mikro­bi­oms bewusst zu wer­den. Auf der Basis von Wis­sen und Ver­ständ­nis las­sen sich manch­mal leich­ter Ver­hal­tens­än­de­run­gen durch­füh­ren. Dem bri­ti­schen Vor­beu­gungs-Erfolgs­au­tor Allen Carr sind mit sei­nem Buch „End­lich Wunsch­ge­wicht“ ein­gän­gi­ge und unter­halt­sa­me Bei­spie­le gelun­gen. Er beschäf­tigt sich inten­siv mit der „Gehirn­wä­sche“ durch Wer­be­bot­schaf­ten der Indus­trie und fami­liä­re Prä­gung, die unbe­wuss­ten Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten zu Grun­de lie­gen kann. Carr bie­tet ver­schie­de­ne Alter­na­ti­ven und regt zum Selbst aus­pro­bie­ren an. So kön­nen auch leich­ter eige­ne Wer­te-Vor­stel­lun­gen oder lieb gewon­ne­ne Vor­lie­ben umge­stellt wer­den. Ganz im Sin­ne einer lang­fris­ti­gen Ernäh­rungs­um­stel­lung mit vie­len Bal­last­stof­fen.

Autorin
Mari­on Kaden, Ber­lin, 2017.
Quel­len
[1] Arbeits­kreis „Medi­zin, Ethik und Gesell­schaft“: Das inter­na­tio­na­le Human-Genom Pro­jekt. Stand, Ergeb­nis­se, Per­spek­ti­ven. Jena, Mai 2003 (PDF-Prä­­sen­­ta­­ti­on).
[2] Manook A, Hier­geist A, Rup­p­recht R, Bag­hai TC: Dick­darm­mi­kro­bi­om und Depres­si­on. Der Ner­ven­arzt. 2016; 87(11):1227–40 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
[2a] Goff SA, Ricke D, Lan TH, Pres­t­ing G, Wang R, Dunn M, Gla­ze­brook J, Ses­si­ons A, Oel­ler P, Var­ma H, Had­ley D, Hut­chison D, Mar­tin C, Kata­gi­ri F, Lan­ge BM, Moug­ha­m­er T, Xia Y, Bud­worth P, Zhong J, Miguel T, Pasz­kow­ski U, Zhang S, Col­bert M, Sun WL, Chen L, Coo­per B, Park S, Wood TC, Mao L, Quail P, Wing R, Dean R, Yu Y, Zhar­kikh A, Shen R, Sahas­ra­bud­he S, Tho­mas A, Can­nings R, Gut­in A, Pruss D, Reid J, Tav­ti­gi­an S, Mit­chell J, Eld­redge G, Scholl T, Mil­ler RM, Bhat­na­gar S, Adey N, Ruba­no T, Tus­neem N, Robin­son R, Feld­haus J, Macal­ma T, Oli­phant A, Briggs S.: A draft sequence of the rice geno­me (Ory­za sati­va L. ssp. japo­nica). Sci­ence. 2002 Apr 5;296(5565):92–100 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
[3] Anne Katha­ri­na Zscho­cke: Darm­bak­te­ri­en als Schlüs­sel zur Gesund­heit. Neu­es­te Erkennt­nis­se aus der Mikro­biom­for­schung. Knau­er, Mün­chen, 2014 (Buch bei Ama­zon bestel­len).
[4] Gal­land L: The Gut Micro­bio­me and the Brain. J Med Food.17(12)2014:12611272 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
[5] Michae­la Axt-Gader­­mann: Schlank mit Darm: Das 6‑Wo­chen-Pro­­gramm. Das Pra­xis­buch. Süd­west Ver­lag, Ran­dom House, Mün­chen, 2015 (Buch bei Ama­zon bestel­len).
[6] Madan JC, Hoen AG, Lund­gren SN, Far­zan SF, Cot­ting­ham KL, Mor­ri­son HG, Sogin ML, Li H, Moo­re JH, Kara­gas MR: Asso­cia­ti­on of Ces­are­an Deli­very and For­mu­la Sup­ple­men­ta­ti­on With the Intesti­nal Micro­bio­me of 6‑Week-Old Infants. JAMA Pediatr. 2016 Mar;170(3):212–9 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
[7] Bür­ger M, Lan­ge K, Stall­mach A: Intesti­na­les Mikro­bi­om und chro­nisch ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen. Der Gas­tro­en­te­ro­lo­ge. 2015 Mar;10(2):87–101 (Kurz­fas­sung: DOI).
[8] Beng­mark S: Gut micro­bio­ta, immu­ne deve­lo­p­ment and func­tion. Phar­ma­col Res. 2013 Mar;69(1):87–113 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
[9] Max Rub­­ner-Ins­ti­­tut (Hrsg.): Natio­na­le Ver­­­zehrs-Stu­­die II. Ergeb­nis­be­richt, Teil 1. Bun­des­for­schungs­in­sti­tut für Ernäh­rung und Lebens­mit­tel, 2008 (PDF-Vol­l­­text).
[10] Berg­heim I, Glei M: Darm­mi­kro­bi­om und Ernäh­rung. Rol­le der Pre‑, Pro- und Syn­bio­ti­ka in Ent­ste­hung der The­ra­pie ernäh­rungs­be­ding­ter Erkran­kun­gen. Gas­tro­en­te­ro­lo­ge. 2015 March;10(2):116–21 (Kurz­fas­sung: DOI).
Bild­nach­weis
• Mari­on Kaden, Ber­lin, 2017.
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