Dia­be­tes mel­li­tus Typ II

(m) Von allen mit Adi­po­si­tas asso­zi­ier­ten Krank­hei­ten ist der Zusam­men­hang mit dem Dia­be­tes mel­li­tus Typ II (insu­lin­un­ab­hän­gi­ge Form) am bedeu­tends­ten. Etwa 80 % aller Typ-II-Dia­be­ti­ker sind adi­pös. Die Bezie­hung zwi­schen →Kör­per­ge­wicht und dem Dia­be­tes sind hin­sicht­lich der Prä­va­lenz, Gene­se und The­ra­pie so eng, dass das Schick­sal eines Typ-II-Dia­be­ti­kers im Wesent­li­chen mit sei­nem Gewicht zusam­men­hängt. Män­ner und Frau­en mit →andro­ider Fett­ver­tei­lung ent­wi­ckeln häu­fi­ger einen Dia­be­tes als sol­che mit →gyno­ider Fett­ver­tei­lung. Dem Typ-II-Dia­be­tes liegt eine star­ke gene­ti­sche Prä­dis­po­si­ti­on zugrun­de. Nach Ergeb­nis­sen von Fami­li­en­stu­di­en muss jeder drit­te Nach­kom­me eines Typ-II-Dia­be­ti­kers damit rech­nen, in sei­nem spä­te­ren Leben selbst einen Dia­be­tes zu ent­wi­ckeln. Das Bin­de­glied zwi­schen Adi­po­si­tas und Dia­be­tes ist in der →Insu­lin­re­sis­tenz, also in der ver­min­der­ten Wirk­sam­keit von Insu­lin am Wirk­ort, zu sehen. Die Adi­po­si­tas ver­stärkt bzw. löst die Insu­lin­re­sis­tenz erst aus, was wie­der­um eine Hyper­in­su­lin­ämie zur Fol­ge hat. Zur Zeit wer­den drei Mecha­nis­men dis­ku­tiert, über wel­che eine Adi­po­si­tas die Dia­be­tes­ent­wick­lung för­dert:

  1. „Rand­le-Theo­rie“: Die­se besagt, dass eine erhöh­te Kon­zen­tra­ti­on frei­er Fett­säu­ren (bei Adi­po­si­tas typisch) direkt mit der Glu­co­se­ver­wer­tung inter­fe­riert. Je höher das Ange­bot an frei­en Fett­säu­ren (auf­grund einer gestei­ger­ten Lipo­ly­se) ist, des­to mehr gelan­gen in die Mus­kel­zel­len und wer­den dort zur Ener­gie­ge­win­nung auf Kos­ten der Glu­co­se­ver­bren­nung ver­wen­det. Die Glu­co­se­ver­wer­tung sinkt. Zusätz­lich ist auch die Glu­co­neo­ge­ne­se (durch das erhöh­te Ange­bot von Meta­boli­ten aus der gestei­ger­ten Lipo­ly­se) erhöht, was eben­falls zur einer ver­schlech­ter­ten Glu­co­se­to­le­ranz führt.
  2. „Tumor-Nekro­se-Fak­tor‑α“ (TNF‑α): In-vitro-Unter­su­chun­gen an kul­ti­vier­ten mensch­li­chen Fett­zel­len zei­gen, dass TNF‑α:
    • die insu­lin­sti­mu­lier­te Glu­co­se­auf­nah­me hemmt,
    • die Expres­si­on von GLUT4 und der →Lipo­pro­te­in­li­pa­se sup­p­ri­miert,
    • die →Lipo­ly­se indi­rekt sti­mu­liert,
    • zu einer Dedif­fe­ren­zie­rung von Fett­zel­len führt, die insu­lin­sti­mu­lier­te Tyro­sin­phos­pho­ry­lie­rung von →Insu­lin­re­zep­tor­sub­strat (IRS‑1) hemmt,
    • die Akti­vi­tät der für den insu­lin­sti­mu­lier­ten Glu­co­se­trans­port essen­zi­el­len Phos­pho­i­no­si­tol-3-Kina­se hemmt.

    Die­se und ande­re Unter­su­chun­gen las­sen die Ver­mu­tung auf­kom­men, dass der TNF‑α ein wich­ti­ger Media­tor der adi­po­si­tas­as­so­zi­ier­ten Insu­lin­re­sis­tenz sein könn­te.

  3. „Die Hyper­lep­tin­ämie“: Die­se Theo­rie besagt, dass das Hor­mon →Lep­tin, das eine zen­tra­le Rol­le bei der Regu­la­ti­on der Nah­rungs­auf­nah­me und bei dem Ener­gie­ver­brauch spielt, bei Adi­pö­sen mas­siv über­ex­pri­miert wird und mög­li­cher­wei­se die →Insu­lin­si­gnal­kas­ka­de stört. Wel­che Rol­le Lep­tin wirk­lich spielt, ist aber noch weit­ge­hend unge­klärt.

Eine Reduk­ti­on des Kör­per­ge­wichts hat einen güns­ti­gen Effekt auf die Dia­be­tes­ma­ni­fes­ta­ti­on und ‑ein­stel­lung. Je aus­ge­präg­ter die Gewichts­sen­kung ist, des­to eher nor­ma­li­sie­ren sich die gestör­ten Stoff­wech­sel­pa­ra­me­ter.


Abb. 13 Lebens­er­war­tung von Pati­en­ten mit Typ-II-Dia­be­tes in Abhän­gig­keit vom Gewichts­ver­lust im ers­ten Jahr nach Dia­gno­se­stel­lung. Jedes kg Gewichts­ver­lust ver­län­gert das Leben eines Typ-II-Dia­be­ti­kers um 3–4 Mona­te.